Interview – Data Governance
Das gesamt Interview:
Factory: Warum sollten Unternehmen sich mit Data Governance beschäftigen?
Dr. Piffer: Je nach Größe und Marktdruck befinden sich Unternehmen aktiv oder passiv im digitalen Wandel irgendwo zwischen langsamer Transformation bis hin zur Disruption, um neuen Anforderungen gerecht zu werden. Dieser Wandel und Tempowechsel hat direkten Einfluss auf eingesetzte Technologien, Prozesse, Strukturen, die Menge an Information und nicht zuletzt auf den Menschen und seine bisher gelebte Unternehmenskultur.
Verpasst man als Unternehmen den Zeitpunkt sich mit diesen Änderungen und dem daraus resultierenden Bedarf an Data Governance ausreichend zu beschäftigen, kann dies statt zur digitalen Transformation mit glorreichen Big Data- und Analytics-Erfolgen, zu einer erheblichen Erhöhung der Komplexitäten und Aufwände führen.
Factory: Welche Anzeichen können darauf hindeuten, dass ein Unternehmen Probleme mit der Verwaltung und Organisation seiner Stammdaten hat?
Dr. Piffer: Die Anzeichen für fehlende Data Governance können vielfältig sein.
Fehlende Transparenz der Verantwortlichkeiten und Prozesse, keine definierten Standards oder nicht gelebte Richtlinien, schlechte und oft langsame Verfügbarkeit von Reports, Vertrauensverlust in die eigenen Zahlen, manuelle Korrekturprozesse, verschiedenste Datenqualitätsfehler, fehlendes Wissen über die Sensibilität unterschiedlicher Daten im Kontext Datenschutz und Datensicherheit, hohe wiederkehrende Kosten zur Datenbereinigung, Unschärfen und Annahmen über die Bedeutung von Fachbegriffen – statt klarer zentraler Definition, Inkonsistenzen über Applikationen und die Unternehmensinformationsarchitekturen und vielfach auch das Fehlen von BI- oder Datenstrategie im Rahmen der IT- und Unternehmensstrategie. Als Schlüsselaspekt stellt sich auch der Anforderungsprozess zw. Fachbereich und IT dar. Anforderungen werden rasch benötigt und bieten nicht ausreichend Zeit die gesamte Komplexität der Landschaft zu klären, daraus resultiert wiederum eine Erhöhung der Schnittstellenkomplexität, welche die Ausgangsdaten über die jeweiligen Datenflüsse mitunter zu unterschiedlichen Aussagen bringen.
Für Unternehmen am deutlichsten spürbar werden diese Anzeichen technisch gesehen in jeder Konsolidierung, Integration oder Migration von Systemen und fachlich bei allen unternehmensrelevanten Prozessen, Kunden-, Vertriebs- oder Produktdaten sowie regulatorischen Anforderungen, wo Dritte, wie Kunden oder Kooperationspartner, teilnehmen.
Im Zeitalter der digitalen Transformationen wären das zum Beispiel die Einführung eines neuen ERP-Systems oder CRM-Analytics – da kann Big Data rasch zu einer Zeit- und Kostenfalle werden und statt erhöhter Wettbewerbsfähigkeit und neuer Vorhersagemodelle kämpft man mit methodischen, strukturellen und IT Grundsatzthemen.
Factory: Was sind notwendige Voraussetzungen für Data Governance?
Dr. Piffer: Daten und das Bewusstsein dafür, Spielregeln zu definieren. DG selbst hat keine weiteren Voraussetzungen, jedoch korreliert hier der benötigte Reifegrad an Data Governance mit der Komplexität, die man wieder in Rahmen und Strukturen überführen will.
Grundsätzlich kann man festhalten, dass ohne das Verständnis und dem Bewusstsein der Entscheider (Management bis Eigentümer) Data Governance rasch als Strohfeuer verglühen wird oder formal auf einer Agenda abgehackt wird.
DG ist also kein Projekt, sondern muss über einen Change Prozess integraler Bestandteil des Unternehmens werden – für diesen Unternehmenswandel zu einem datengetriebenen Unternehmen muss man gewillt sein.
Für das Unternehmen sollte geklärt werden, wie man DG für sich verstehen will, wie diese langfristig zur Unternehmensstrategie passt, wie im ganzen Unternehmen Bewusstsein geschaffen werden kann und mögliche Blockaden gelöst werden.
Factory: Welche Regeln sollten Unternehmen für eine firmenweit geltende Data Governance festlegen?
Dr. Piffer: Data Governance ist ein Maßanzug und kein Stangenprodukt, daher müssen die jeweiligen Regeln gewissenhaft für jedes Unternehmen erarbeitet werden. Die Regeln klären dann das Zusammenspiel zwischen den Geschäftsprozessen, der System- und IT-Landschaft, den definierten (neuen) Rollen und (neuen) Strukturen.
Beispielhafte Regeln für ein Unternehmen:
- Alle Projekte werden auf Data Governance-Relevanz geprüft (Teile des Anforderungsprozesses).
- Alle DG-relevanten Projekte, in denen Daten erstellt, verarbeitet, geändert oder gelöscht werden, müssen
- in das unternehmensweite semantisches/logische Datenmodell übernommen werden (Business Datenmodell)
- alle neuen oder geänderten Attribute müssen als Business Terms definiert oder angepasst werden
- geänderte Business Terms müssen von den zuständigen Data Stewards oder dem Business Information Center als zuständige Abteilung freigegeben werden…
- Für neue Business Domains (Beispielsweise speichert und verwaltet man nach einem Projekt auch Logistikdaten) müssen zuständige Data Stewards definiert werden.
- Für alle Attribute müssen die zuständigen Data Stewards zwingen technische und fachliche Datenqualitätsprüfregeln definiert werden.
- Datenqualitätsprüfungen müssen tourlich je nach Lebens- und Updatezyklus der Daten durchgeführt werden.
- Jeder Mitarbeiter muss eine inhouse Data Governance Schulung mit Zertifikat ablegen.
- …
Diese Regeln und Prozesse werden transparent für alle in entsprechenden Richtlinien – für das jeweilige Unternehmen passend – beschrieben. Der organisatorische Anker für das gesamte Framework ist fest zu deklarieren z.B. in einer zuständigen Person (CIO, CDO, Data Governor, …) einem Gremium oder einer zuständigen Abteilung (BI, BIC,…).
Factory: Mit welchen Hürden müssen Unternehmen bei der Vorplanung und Umsetzung rechnen?
Dr. Piffer:
- Nach den ersten Meetings und Beschlüssen bieten Führungskräfte und Vorstand oft nicht genügend Unterstützung für eine umfassende Data Governance Implementierung.
- Für ein Governance-Committee, einschließlich Führungskräfte, Data Owner, Data Stewards, Datenarchitekten und Datenanalysten, etc. ist eine signifikante Personalbandbreite an relevanten Personen erforderlich. Diese zu gewinnen und Rollenänderungen zu etablieren ist meist schwierig.
Factory: Was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren, damit die Implementierung einer Data Governance möglichst reibungslos abläuft?
Dr. Piffer:
- DG ist keine akademische Übung, sondern soll dem Unternehmen helfen seinen Informationshaushalt unter Kontrolle zu bringen. Umso wichtiger ist es eine pragmatische Umsetzung anzustreben, die zeitnah erste greifbare Ergebnisse bringt.
- Data Governance lebt von der Zusammenarbeit zwischen Data Stewards, Business Experten, Data Owner, Architekten, DG Gremien, der IT und dem Business, daher ist Collaboration ein wichtiger Erfolgsfaktor.
- Data Governance selbst ist kein Projekt, sondern vielmehr eine Änderung der Unternehmenssicht auf Daten. Dafür muss viel mit den Menschen, die an dieser Veränderung teilnehmen, gearbeitet werden – Stichwort Changemanagement. Weiter sollten DG Schulungen für alle Personen an Schnittstellen zu Daten angeboten werden.
- Funktionierende Rollen und Prozesse sollten nicht ersetzt werden, sondern nur bei Bedarf angepasst werden.
- Alle neu definierten Prozesse, Rollen und Strukturen sollten immer in Workshops definiert und in den neuen Gremien beschlossen werden, dadurch erhöht sich die Akzeptanz merklich.
Factory: Können Sie einen Ablaufplan aufstellen, wie ein Projekt für Data Governance idealerweise strukturiert sein sollte?
Dr. Piffer: Wie bereits erwähnt geht es hier um Maßarbeit, grundsätzlich gibt es viele verschiedene Ablaufpläne zu diesem Thema. Klassischerweise würde man sich an diesen fünf Phasen orientieren:
- Im ersten Schritt sollte man sich ausführlich der Analyse widmen. Es gilt die Vision, die Ziele und den Umfang sowie die Stakeholder zu identifizieren. Auch erste Einschätzungen zum Wert der Daten und der zum Heben dieses Wertes verbundene Kosten sollten durchgeführt werden. Abschließend sollte man klären wie ein Change Prozess im Unternehmen aussehen kann.
- Als nächsten Schritt sollte ein Reifegrad Assessment durchgeführt werden, um den Ist- und den Ziel-Zustand zu deklarieren. Auch eine Review der Architektur und mögliche Zielbilder sollten konzeptionell erstellt werden.
- Hat man die Analyse und Basisklärung durchgeführt kann am DG-Zielbild gearbeitet werden. Erste Organisationsentwürfe, Rollen, Prozessabläufe, Regeln und Standards. Und zum Schluss der Bedarf an DG-Richtlinien und DG-Tools zur Steuerung und Verwaltung.
- Als vierten Schritt müssen alle Ergebnisse und Ziele in Arbeitspakete und Teilprojekte gegliedert werden in einer Roadmap abgebildet werden, iterative vs. Big-bang Umsetzung, ausgearbeitet werden.
- Fünftens – zum Leben erwecken. Alle Rollen und Strukturen müssen nun ausgefüllt werden, die Richtlinien und Standards umgesetzt und eingehalten werden. Die MA geschult und der Erfolg gemessen sowie das Feedback verwertet werden.
Factory: Welche Tipps können Sie für die „interne Vermarktung“ von Data-Governance-Programmen und das Finden von ersten Unterstützern geben?
Dr. Piffer:
- Das Committment des Managements kann man sehr gut durch die Beantwortung von Fragen zu DG transportieren:
- Wie schaut ein Tag in unserem Unternehmen aus, wenn DG eingesetzt ist?
- Woran wird man es in der Organisation merken?
- Welche Businessziele werden dadurch besser erreichbar?…
- Ein internes DG-Schulungsprogramm mit Zertifikat hilft Verständnis zu erzeugen und ein Zertifikat zeigt die Ernsthaftigkeit des Themas.
- Auch kleine Erfolge feiern – bessere DQ, Ermöglichung neuer Kennzahlen, Erfüllen regulatorischer Anforderungen, die Besetzung von Data Stewards, …
- Für Menschen, die neu zum Thema DG gekommen sind, ist das Thema nicht selbsterklärend, d.h. Definitionen, Sichten und Erklärungen sind in unterschiedlichsten Stufen aufzubereiten und aus der Schublade zu präsentieren. Das sollte vom Filialmitarbeiter bis zum Vorstand eines Unternehmens reichen.
- Oft ist es hilfreich „internen Propheten“ zu finden und versuchen für das Thema zu gewinnen. Oft ist geballtes Wissen zu strukturellen Schwächen, Probleme und sogar deren Lösung vorhanden. Diese Personen können zu relevanten Treibern der ersten Erfolge und für DG an sich werden.
Factory: Gibt es noch irgendetwas, das ich in diesem Zusammenhang noch wissen sollte?
Dr. Piffer: Wir sind ein junges Beratungsunternehmen, das aus erfahrenen Experten und einem großen Netzwerk besteht.
Unser Portfolio deckt die spannendsten IT Themen von Analytics, Digitaler Transformation, Big Data Architektur bis Data Governance genauso ab wie alle datengetriebenen Prozesse und Themen in den Bereichen Projektmanagement, Businessanalyse oder Business Intelligence.
Hierbei bringen wir unser umfangreiches fachliches Know-how sowie state-of-the-art Herangehensweisen aus Projekten und unseren innovativen Case Studies ein.
Zu unseren Kunden gehören große nationale und internationale Banken, Versicherungen und Handelsunternehmen, wobei man uns generell überall dort findet, wo Daten auf Menschen treffen.